„Der Kükenstall und die schöne BTG-Turnhalle waren nur noch Ruinen“
Am 21. Juni 1931 wehte zum ersten Mal die Hakenkreuzfahne seiner Zeit als „Zeichen der deutschen Freiheit“ von der Bielefelder Sparrenburg. Rund zwei Jahre später, kurz nach der Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler, gehörte das Hakenkreuz als offizielles Symbol des NS-Staates zum alltäglichen Bild der Stadt. Zu diesem Zeitpunkt hatte es wohl keiner für möglich gehalten, dass zwölf Jahre und wenige Monate später die weiße Fahne als Zeichen der Kapitulation auf der Sparrenburg wehen würde.
Hunger, Elend, Flüchtlingsnot, Erschöpfung und Trostlosigkeit standen schließlich am Ende des Nationalsozialismus. Der Zweite Weltkrieg hatte seine Spuren auch in Bielefeld unübersehbar hinterlassen.
Fliegeralarm und das Aufsuchen der Luftschutzkeller gehörten bereits seit Monaten zum alltäglichen Leben. Der regelmäßige Schulbetrieb an der Luisenschule war längst nicht mehr gewährleistet und wurde schließlich ganz eingestellt. Seit 1943 organisierte die Nationalsozialistische Volkswohlfahrt (NSV) die so genannten Kinderlandverschickungen (KLV). Als Schutzmaßnahme vor feindlichen Luftangriffen gedacht, wurden auch zahlreiche Luisenschülerinnen samt verbliebener Lehrkräfte auf ungewisse Zeit nach Österreich geschickt. In den Alpen bei St. Gilgen und Kaprun wurden die Mädchen über Monate abseits der Heimatfront im Sinne der NSDAP weiter beschult.
Am 30. September 1944 flogen alliierte Luftverbände den bislang größten Angriff auf die Stadt Bielefeld. Fast die Hälfte der Einwohner Bielefelds war inzwischen entweder evakuiert worden oder freiwillig in das nahe oder ferne Umland ausgewichen. Die Luisenschule sollte den nun folgenden Bombenregen nicht unbeschadet überstehen. Schulleiter Podufal dokumentierte die Geschehnisse an diesem Tag in der Schulchronik: „Schicksalstag der Luisenschule. Ein sonniger, friedlicher Tag. Um 13 Uhr brachten Schülerinnen dem Schwiegervater des Hausmeisters, Herrn Hansmeyer, zum 80. Geburtstag auf dem Hof ein Ständchen. Um 14 Uhr gab es Alarm: Anflug großer feindlicher Kampfverbände auf Bielefeld. Wenige Minuten später war Bielefeld eine brennende Stadt. Es war nur unter großen Schwierigkeiten möglich, durch den Qualm und Feuersturm in die Stadt zu gelangen. In der Schule waren um 15 Uhr Dr. Grote, der Hausmeister, Herr Bansmann und zwei Mädels, die zusammen mit Dr. Grote Luftschutzwache hatten (…) Stabbrandbomben lösten im Obergeschoss Feuer aus. Auch die Wasserleitung war ausgefallen. Das Dach wurde durch das Feuer völlig vernichtet. Ein Übergreifen auf das Nebengebäude konnte mit Hilfe der Nachbarn verhindert werden.“ Es sollte nicht der letzte Angriff gewesen sein. Am 2. November 1944 bekam die Luisenschule erneut einen Bombentreffer ab. Das Treppenhaus wurde dabei völlig zerstört. Nahezu alle Fenster und Türen des Gebäudes konnten dem Druck der Explosion nicht standhalten.
Die ehemalige Luisenschülerin Gisela Schütze kehrte im Februar 1945 nach Bielefeld zurück: „Der Kükenstall und die schöne BTG- Turnhalle waren bei den Angriffen völlig zerstört worden und nur noch Ruinen. Als im Mai 45 der Krieg endgültig zu Ende war, konnte man an einen Schulneubeginn überhaupt noch nicht denken! Ich blieb deshalb auf dem Lande und konnte mich bei meinen netten Landwirtsleuten ein wenig nützlich machen.“
Am 23. November konnte der Unterricht auch für die Luisenschülerinnen wieder aufgenommen werden.
Durch die Raumknappheit, fehlende Unterrichtsmaterialien sowie der Beginn der Entnazifizierungsmaßnahmen der Besatzungsmächte konnte der Unterricht zunächst nur eingeschränkt erfolgen. Für viele Luisenschülerinnen fand er in der Falkschule statt, die den Krieg unbeschadet überstanden hatte. Fächer wie Erdkunde und Geschichte waren zunächst verboten. An der Paulusstraße begann bereits 1946 der Wiederaufbau des „Kückenstalls“ und schon kurz danach zogen die beiden ersten Klassen wieder in die vertraute Schulumgebung.